Liedhaft, innig, leise
15.04.17
Rhein-Neckar-Zeitung
Preisgekröntes Streichquartett “Cuarteto Casals“ gastierte auf Einladung der Kunstfreunde im Palatin — Virtuoses Spiel mit vielen Kontrasten
Von Maria Bierwald
Wiesloch. Die Kunstfreunde Wiesloch hatten am Sonntagabend zu einem Kammermusikabend mit dem “Cuarteto Casals“, einem der renommiertesten Streichquartette Spaniens, eingeladen. Das Quartett ist Preisträger internationaler Wettbewerbe und hat sich weltweit einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Mit den in einem speziellen Wettbewerb erspielten historischen Bögen in barocker Form eröffnete das Quartett das Konzert. Es spielten: Vera Martinez-Mehner (Violine), Abel Tomàs (Violine), Jonathan Brown (Viola) und Arnau Tomàs (Violoncello).
Das „Dissonanzen—Quartett“ von Wolfgang Amadeus Mozart beginnt mit einer rätselhaften Introduktion. Sehr leise schlichen sich die vier Musiker in das musikalische Geschehen mit chromatischen Bewegungen und klagenden Motiven. Das folgende „Allegro“ wirkte dagegen graziös und gefällig. Im „Andante cantabile“ zeigte das Ensemble große Feinfühligkeit und einen guten Sinn für die langen gesanglieben Phrasen. Im „Menuetto“ wechselten leichtfüßige Auftakte mit kraftvoll akzentuierten Wendungen und einem kontrastierenden Mollteil. Auch das „Allegro molto“ war ein ständiges Spiel mit großen Kontrasten. In den schnellen Bewegungen blieb das Quartett stets transparent und arbeitete kleinste Details heraus. Dagegen standen kraftvolle Tuttipassagen und immer wieder chromatische Figuren und fast provokante dynamische Gegensätze.
Zu Dimitri Schostakowitschs Quartett As—Dur op.10 tauschte man die barock geformten Bögen gegen moderne Bögen aus. Auch die beiden Geiger tauschten die Plätze, sodass nun Vera Martinez-Mehner die erste Violine spielte. Ein leises sprechendes Motiv, das hartnäckig im ganzen Satz wiederholt und jeweils von den anderen Instrumenten kommentiert wurde, beherrschte den Eingangssatz. Viel Temperament zeigten die vier Musiker beim Allegretto furioso. Rhythmisch und akzentuiert, in rastloser Bewegung, ohne Rücksicht und durchaus auch mit schmerzhaftem Ausdruck ging es hier zur Sache. Der dritte Satz hat die Form einer Passacaglia: Über einer Basslinie wird eine Folge von Variationen gebildet. Das Violoncello trug den ausdrucksvollen Klagegesang vor. Die erste Violine legte eine zarte Melodie darüber. Das Quartett entwickelte ein feines Gespinst aus dieser ersten Idee und wieder glänzten die Musiker mit langen spannungsreichen Phrasen.
Kunstvoll war dieses Adagio verwoben mit dem letzten Satz. Während Viola und Cello ihre zarten Töne noch lange aushielten, bewegten sich die beiden Violinen schon in einem strammen Marschtempo. Jonathan Brown ließ die Viola, die bei diesem Satz dominierte, in allen Facetten erstrahlen. Mit dem weichen warmen Ton einer Mittelstimme, dann wieder als Tempomacher in der Marschbewegung, in höchste Höhen hinauf und schließlich mit dem ganzen Quartett flüsternd bis zum letzten Ton.
Nach der Pause erklang das Quartett Nr. 6 f-Moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy, unter dem Eindruck des plötzlichen Todes seiner geliebten Schwester Fanny Hansel, war Mendelssohn zunächst nicht in der Lage zu komponieren. Erst einige Zeit später konnte er die Arbeit an dem Quartett aufnehmen. Das Quartett f-Moll trägt deutliche Züge von Erregung und Dramatik. So ist bereits im Kopfsatz ein Zittern dargestellt. Schwankendes Tempo, das nur durch kurze gesangliche Episoden durchbrochen wird, zeigt die innere Zerrissenheit des trauernden Komponisten.
Im „Allegro assai" machte das „Cuarteto Casals“ stetig Druck in der Vorwärtsbewegung, aber auch in großen dynamischen Wellenbewegungen. Im „Adagio“ war man eher zurückhaltend, spielte die innige Melodie, die für den Komponisten sicher eine verklärte Erinnerung an die Schwester darstellte, sehr zart. Ganz ernst blieb der Schlusssatz „Allegro molto“, bei dem sich schließlich Tempo und Lautstärke immer weiter verdichteten bis zum Schlusspunkt.
Das Publikum im Palatin applaudierte ergriffen. Das „Cuarteto Casals“ ließ es sich nicht nehmen, eine Zugabe zu geben: Man spielte gefühlvoll aus dem Zyklus „Zypressen“ die Nr. IX „Du einzig Teure, nur für dich“. So schön liedhaft, innig und leise können nur sehr gute Musiker spielen.